Übersicht über die österreichischen Parlamentsschriften 1848-1971
Monarchie
I . Österreichischer Reichstag
Das erste Parlament, der Reichstag, war in zwei Kammern, den Senat und die Kammer der Abgeordneten, geteilt. Der Senat bestand aus den Prinzen des kaiserlichen Hauses nach vollendetem 24. Lebensjahr, aus den vom Kaiser ohne Rücksicht auf Stand und Geburt auf Lebensdauer ernannten Mitgliedern und aus 150 Mitgliedern, die für die Dauer der Wahlperiode (5 Jahre) von den großen Grundbesitzern aus ihrer Mitte gewählt wurden. Die Kammer der Abgeordneten bestand aus 383 Mitgliedern (Pillersdorfsche Verfassung).
Da das Volk mit dem Zweikammersystem dieser Verfassung nicht einverstanden war (Massendemonstration in Wien), wurde sie durch eine kaiserliche Proklamation vom 15. Mai 1848 so geändert, dass die provisorische Verfassungsurkunde von einer konstituierenden Reichsversammlung in einer Kammer beraten werden sollte. Diese trat als konstituierender Reichstag am 22. Juli 1848 in Wien zusammen. Nach Ausbruch der Oktoberrevolution wurde er durch kaiserliches Patent vom 22. Oktober 1848 von Wien nach Kremsier (heute Kroměříž) in Mähren verlegt. Dort nahm er am 22. November 1848 seine Arbeit wieder auf.
II. Österreichischer verstärkter Reichsrat
Mit kaiserlichem Patent vom März 1860 wurde verfügt, dass der Reichsrat durch außerordentliche Reichsräte: Erzherzoge des kaiserlichen Hauses, vom Kaiser ernannte höhere kirchliche Würdenträger und besonders verdiente Männer und 38 vom Kaiser ernannte Mitglieder aus den Landesvertretungen, zu verstärken sei.
III. Der Reichsrat
Nach dem Februarpatent vom 26. Februar 1861 wurde der Reichsrat nach dem Zweikammersystem zusammengesetzt. Er bestand aus dem Herrenhaus, dem die großjährigen Prinzen des kaiserlichen Hauses, die Erzbischöfe und die Bischöfe fürstlichen Ranges, die großjährigen Häupter der vom Kaiser mit der erblichen Herrenhauswürde ausgezeichneten Adelsgeschlechter und vom Kaiser ernannte verdiente Männer angehörten, und einem Abgeordnetenhaus, dessen 343 Mitglieder von den Landtagen der einzelnen Länder zu wählen waren. Jedoch trat dieses nie in der vollen Zahl zusammen, da der ungarische Landtag die Wahl der Delegierten verweigerte. So waren es vorerst nur 203 Abgeordnete. Ab 1873, mit der direkten Wahl zum Abgeordnetenhaus, wurde die Zahl der Abgeordneten auf 353, 1896 auf 425 und 1907 auf 516 erhöht.
Republik
Nach dem kaiserlichen Manifest vom 16. Oktober 1918 traten am 21. Oktober 1918 alle deutschen Abgeordneten des Reichsrates in Wien zur Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich zusammen. Die Mitglieder dieser Provisorischen Nationalversammlung sagten sich vom kaiserlichen Manifest los, gründeten die Republik, veranlassten Kaiser Karl mit Manifest vom 11.November 1918 zum Rücktritt und verkündeten dies mit Gesetz vom 12. November 1918.
Die folgende Konstituierende Nationalversammlung hatte ihre Eröffnungssitzung am 4. März 1919. Am 1. Oktober 1920 beschloss sie das Gesetz, mit dem die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wurde. Am 17. Oktober wurde der erste Nationalrat gewählt, der am 10. November 1920 zusammentrat. In der zweiten Kammer, dem Bundesrat, waren die Länder im Verhältnis zur Bürgerzahl vertreten.
IV. Bundesstaat Österreich 1934-1938
Nach der Erklärung der Bundesregierung, dass sich der Nationalrat durch den Rücktritt seiner drei Präsidenten am 4. März 1933 selbst ausgeschaltet habe, wurde von ihr auf Grund des "Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes mit Verordnungen bis 30. April 1934 regiert. Am 1. Mai 1934 wurde die "Verfassung 1934" veröffentlicht. Die offizielle Bezeichnung lautete "Bundesstaat Österreich". Bundeskulturrat, Länderrat, Staatsrat und Bundeswirtschaftsrat waren vorbereitende Organe, die Beschlussfassung stand dem Bundestag zu.
V. Republik 1945-1971
Mit dem Zusammentritt des neu gewählten Nationalrates am 19. Dezember 1945 trat das Bundesverfassungsgesetz in der Fassung von 1929 wieder in vollem Umfang in Kraft.
Nach: Michael Stickler: Übersicht über die österreichischen Parlamentsschriften 1848 – 1971. – In: Biblos, österreichische Zeitschrift für Buch- und Bibliothekswesen, Dokumentation, Bibliographie und Bibliophilie 22 (1973).
Text: Dr. Michael Stickler (+), mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Dr. Herbert Stickler.